Wie Forschungsarbeiten zeigen: Rigide Kontrolle steht in Verbindung mit gestörtem Essverhalten und erhöhtem Körpergewicht. - Joachim Westenhöfer, June 2007 Ernährung - Wissenschaft und Praxis 1(4):174-178
Als Schweizerin bin ich besonders Fan von Deutschen Kuchen und Sahnetorten; im Backen hat uns unser grosser Kanton viel voraus ;-).
Nun sollte ich 2017, etwa in meinem 8. Monat meiner "ohne Verbote-Essen-Erfahrung", für drei Wochen zu meiner Mutter nach Teneriffa in den Urlaub. Ich war nervös, denn ich wusste, dass es an jeder Ecke ein deutsches Kuchenbuffet gab, die alle nach mir rufen würden...
Wie sollte ich all den Kuchen widerstehen können? Ich wollte ja auf keinen Fall zunehmen! Und wenn ich jetzt essen konnte so viel ich wollte, konnte ich für nichts garantieren.
Ich ging also mit meiner Nervosität zu meiner Ernährungspsychologin, um sie um Rat zu fragen.
„Flexible Kontrolle ist die Antwort“, meinte sie. Ich bekam die Aufgabe, mit mir selbst auszumachen, wie oft und wie viel Kuchen ich einplanen wollte in meinen Alltag. Ob ein mal pro Woche, zwei mal…oder was halt passte, ohne dass ich ein Gefühl des Verzichts bekam.
Ich hörte also in mich hinein: „Täglich ein Stück Kuchen!“ war die Antwort, die ich bekam. Na gut! Ich machte es mir also zur Aufgabe, täglich ein Stück Kuchen zu essen während meines Urlaubs.
Was ich auch tat. Ich zelebrierte meinen täglich Gang in die verschiedenen Kaffees förmlich, suchte immer ein Stück der Torte aus, die mich am meisten „gluschtete“. „Wähle nicht mit dem Kopf und dem Verstand aus, sondern nimm die, die du wirklich möchtest!“ riet mir meine Ernährungspsychologin. Denn es soll ja befriedigen, und das tut die zuckerfreie, kalorienärmere Erdbeertorte nicht, wenn ich auf Schwarzwälder Lust habe. Meistens wählte ich die grösste und gehaltvollste aus, manchmal schmeckten sie gut, manchmal nicht.
An zwei Tagen hatte ich zwei Stück Kuchen, an einem Tag gar keinen. Daneben hatte ich mir noch eine Packung Prinzenrolle gekauft, die dann offen über eine Woche im Küchenschrank stand - eine neue Erfahrung für mich.
SONST HATTE ICH WÄHREND DES GANZEN URLAUBS WEDER SCHOKOLADE GEKAUFT, NOCH SONST IRGENDWELCHE SÜSSIGKEITEN! Und hier redet ein Ex-Zuckerjunkie, für die eine ganze Torte mit einer ganzen Packung Prinzenrolle zur Normalität gehörte.
Während dieser drei Wochen hatte ich ohne Anstrengung flexible Kontrolle geübt, und war total frei vom Esszwang. Meinen täglichen Kuchen hatte ich genossen (obwohl ich merkte, dass die meisten gar nicht so gut schmeckten, wie sie aussahen) und musste nicht bingen, da ich wusste, dass es morgen wieder Torte geben würde.
Und ohne zu Verzichten, und mit Genuss, hatte ich in meinem Urlaub sogar abgenommen! Ich fühlte mich grossartig in meinem Körper.
Binge Eater und Emotionale Esser haben Mühe ihre Impulse zu kontrollieren, vor allem wenn es ums Essen geht.
„Gib es mir jetzt, und viel davon!“ - Und schon ist das fremdgesteuerte Gefühl vor und während dem Fressanfall da.
Wir müssen lernen, die Kontrolle zu übernehmen, wenn es ums Essen geht; aber nicht rigide Kontrolle, wie bis anhin, sondern flexible Kontrolle.
Wenn die emotionalen Essgründe immer mehr in den Hintergrund rücken, die Essanfälle kleiner und seltener werden, sie bewusst ablaufen und in das ganze Thema Ruhe und Frieden einkehrt, kann man sich wieder ein wenig mehr mit Essen befassen.
Es ist eine schmale Gratwanderung und ein Ausprobieren. Denn Druck und zu viel Kontrolle kann wieder in mehr Essdruck enden.
Wichtig ist, dass der Fokus auf "gut fühlen" statt "abnehmen" bleibt.
In einer Diät, beim Punkte- oder Kalorienzählen wird rigide Kontrolle ausgeübt. Etwas von aussen bestimmt, wie und/oder was ich zu essen habe. Wenn das primäre Ziel die Gewichtsabnahme oder -Stabilisation ist, dann ist man schnell wieder im Diätdenken, wo man es gut machen kann, oder wieder versagt hat.
Bei der flexiblen Kontrolle, entscheide ich selbst - zusammen mit meinem inneren Team - wie ich essen möchte.
Beispiel mit Süssem:
1. Frage dich: wie oft brauche oder möchte ich Süsses am Tag, in der Woche, im Monat?
2. Dem ersten Impuls folgen: ich will jeden Tag etwas Süsses
3. Ok. Wieviel braucht es, damit du keinen Verzicht spürst?
4. Eine Portion reicht mir (oder 2 Reihen Schocki, 1 Dessert, 5 Lindor-Kugeln... was auch immer)
Es soll sich gut anfühlen und stimmig, zufrieden machen.
Das ist aber keine neue Regeln, sondern eine Abmachung. An manchen Tagen wirst du damit zufrieden sein und an anderen Tagen nicht. Und das ist ok.
Oft hilft es, mit sich zu vereinbaren: ich nehme mir 2 mal etwas aus dem Süssigkeiten-Topf auf Arbeit (oder was sich für DICH stimmig anfühlt). Es ist eine Art vorausplanen, die dann die Diskussion im Kopf abschwächt.
Da es ab sofort keine „bösen“ Lebensmittel mehr gibt, und du alles essen darfst, kannst du anfangen, deine Lieblings-Esswaren in deinen Alltag einzubauen.
*Keine Verbote mehr
*Kein "ab morgen" Denken mehr
*Kein Verzicht mehr
Endlich wieder normal essen können? Hier zeige ich dir, wie du das schaffen kannst: Binge Eating und Essanfälle stoppen mit dem JaJa-Effekt®