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Erfolgsgeschichte: Abnehmen trotz Essstörung


Es ist sehr, sehr schwierig jemanden zu finden, der trotz psychologisch bedingtem Übergewicht erfolgreich (mind. 2 Jahre halten) abgenommen hat. Die Statistik ist da nicht auf unserer Seite und krasse Diäten verschlimmern unser Essverhalten meist noch mehr. Wenn du jemanden kennst, würde ich diese Person gerne befragen, so dass wir diese Erfahrungen zusammenbringen können, um davon zu lernen.

Jutta hat es geschafft und sie teilt hier ihren Weg mit uns. Danke Jutta!

Liebe Nadine,

Gern teile ich meine Erfahrungen, wenn es auch nur einer Person hilft, würde es mich sehr freuen.

Mein trauriger Rekord waren vor ca. 3 Jahren 107 kg, mein aktuelles Gewicht liegt bei 80 kg.

Irgendwie hatte ich schon immer ein gestörtes Verhältnis zum Essen. Auf der einen Seite hab ich ständig von meinem Bruder, Tante, Oma und meiner Mutter gehört: “du bist zu dick, friss nicht so viel!”

Beim gemeinsamen Essen, war das was auf meinem Teller war und mein Gewicht ständig Thema. So war Essen für mich immer etwas Negatives, und egal wie viel oder wenig ich aß, es war doch immer zu viel.

Auf der anderen Seite, brachte meine Mutter uns immer Schoki mit, wenn sie sich mal wieder Alkohol kaufte, was fast täglich war.

Schoki wurde mein Seelentröster wenn ich mich mal wieder einsam oder schlecht fühlte; und das fühlte ich mich häufig und weil es ja so einfach war, schob ich alles auf mein Gewicht: ich war nicht liebenswert, weil ich dick war, ich hatte keine Freunde, weil ich dick war, meine Mutter trank, weil ich dick war, auch das ich so schüchtern war schob ich auf mein Gewicht.

So hatte ich über die Jahre so ziemlich jede Diät ausprobiert: Die meiste Zeit hab ich es aber mit weniger Essen (FDH) probiert; stellte ich mich anfangs ein mal pro Tag auf die Waage, waren es die letzten Jahre mehrmals täglich.

Ich gestattete mir nur etwas zu essen wenn die Waage ein Minus anzeigte und dann auch bloss nicht zu viel essen, schliesslich sollte die Waage nach dem Essen nicht wieder mehr anzeigen. Alle paar Tage kamen dann Fressanfälle, es war wie ein ständiger Kampf zwischen mir und meinem Körper.

Vor 3 Jahren entdeckte ich dann durch Zufall das Buch "Die Fettlöserin" von Nicole Jäger. Noch ne Diät die ich ausprobieren konnte ;-) Ich kaufte mir das Hörbuch und hörte es innerhalb von 2 Tagen komplett durch. Aber das Buch war anders, es gab kein “du darfst dies nicht Essen”, es gab keinen Ernährungs- oder Sport-Plan, stattdessen regte es mich an, mich mit meiner Ernährung auseinander zu setzen. Ich fing an, alles was ich aß zu protokollieren, was dank Handy und Fitnessapps recht einfach ging. Dabei stellte ich fest, dass ich ausser an den Tagen mit meinen Fressanfällen, weit unter meinem Grundumsatz war. Fest entschlossen meine Ernährung zu ändern, fing ich an Esspläne zu machen, mit dem Ziel pro Tag immer meinen Grundumsatz an Kalorien zu mir zu nehmen. Das war Anfangs gar nicht so leicht. Ich hab versucht immer frisch zu kochen, und meine Ernährung möglichst ausgewogen zu gestalten. Dabei habe ich auf nichts wirklich verzichtet und mir nichts verboten. Auch meine Schoki war und ist erlaubt.

Bis heute steht jeden Abend ein kleines Stück Seelentröster auf meinem Ernährungsplan.

Die Fressanfälle blieben zwar aus, aber mein Gewicht ging erstmal noch ein paar Kilo nach oben. Nach 2 Wochen waren aus meinen 107 Kg 115 Kg geworden und ich wäre am liebsten in mein altes Muster zurückgefallen, aber ich beschloss, noch ein wenig durchzuhalten, und wurde tatsächlich belohnt: auf einmal sank mein Gewicht rapide, und nach nur einer weiteren Woche war ich wieder auf meinen 107 Kg mit denen ich angefangen hatte. Und das Gewicht sank weiter, anfangs schnell, später langsamer und sinkt auch weiterhin. Zur Zeit wiege ich 80 Kg.

Doch all die verlorenen Kilos brachten mir kein besseres Gefühl; ich wurde nicht glücklicher, nur leichter.

Nach ca. 1.5 Jahren Abnahme fing ich an, an meiner Psyche zu arbeiten. Ich wollte verstehen woher das Gefühl der Minderwertig kam bzw. ein Mensch 2. Klasse zu sein.

Heute ist mir klar, dass es an meiner Kindheit und Jugend mit einer alkoholsüchtigen Mutter lag. Aber es wird vermutlich noch lange dauern, bis mein Verstand mein Herz dies auch wirklich verstehen.

Genau darauf liegt auch mein Fokus heute und nicht mehr auf dem Ziel, Gewicht zu verlieren. Ich versuche insgesamt mehr auf mich und meine Bedürfnisse zu achten und vor allem auf meinen Körper zu hören.

Ich denke um Gewicht zu verlieren, muss jeder seinen eigenen Weg finden, wir sind halt nicht alle gleich.

Ich hab es bei meinen unzähligen Diäten selbst erlebt und auch bei Bekannten und Freunden gesehen. Auch in den letzten 3 Jahren, in denen mein Gewicht nur noch sank (insgesamt jetzt 27 Kg - was ich erst zunahm, lass ich bewusst aus meiner Rechnung raus), und mir Bekannte erzählten, wie toll sie doch mit Intervallfasten, Low Carb usw. abnehmen würden und ich das auch machen solle, dann würde das Gewicht schneller sinken. Im Gegensatz zu ihnen sank mein Gewicht zwar langsamer dafür aber bis heute, während sie mittlerweile wieder mehr drauf haben oder gerade in der nächsten Diät stecken.

Essdruck oder Fressanfälle hab ich gar nicht mehr, ich denke das liegt daran, dass ich mir nichts mehr verbiete und mein Körper eine ausreichende Menge an Nährstoffen und Vitaminen bekommt.

Ab und an muss ich aufpassen nicht in mein altes Muster zu verfallen, das wird aber immer seltener.

Als der Gewichtsverlust das Erste mal weniger wurde, war es am Schlimmsten, da war ich immer wieder versucht, das Ganze zu beschleunigen und wieder die Kalorien runterzuschrauben.

Diät und Verzicht können niemals die Lösung sein, denn immer wenn man sich etwas über längere Zeit verbietet, wird der Körper immer stärker danach verlangen und dem können wir nicht auf immer standhalten.

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